Stellungnahme des Beirates für Menschen mit Behinderung (Behindertenbeirat Hansestadt und Landkreis Lüneburg) zur vorgeschlagenen Weiterführung der Johannes-Rabeler-Schule als Förder- schule mit dem Schwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung (KME) in Lüneburg

Stellungnahme des Beirates für Menschen mit Behinderung (Behindertenbeirat Hansestadt und Landkreis Lüneburg) zur vorgeschlagenen Weiterführung der Johannes-Rabeler-Schule als Förder- schule mit dem Schwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung (KME) in Lüneburg


Der Beirat setzt sich für die Teilhabe von Menschen mit einer Behinderung in allen
gesellschaftlichen Bereichen ein. Er stützt sich dabei auf die von der Bundesrepublik unterzeichnete Behindertenrechtskonvention (BRK), mit der dieses Recht zum
Menschenrecht erklärt wurde und fordert ein inklusives Schulsystem mit einem
hochwertigen und barrierefreien Schulunterricht für alle Kinder und Jugendliche.


Die derzeitige Diskussion um den Erhalt der Johannes-Rabeler-Schule wird neuerdings mit der Einrichtung einer Förderschule mit dem Schwerpunkt KME verknüpft. Zurecht spricht die Landeszeitung in ihrer Ausgabe vom 16.11. von einem
„Kniff“. Was bedeutet dieser Vorschlag wirklich?
Mit der Gründung einer Förderschule KME wird die Möglichkeit geschaffen, Schülerinnen und Schüler mit einer festgestellten körperlichen bzw. motorischen Beeinträchtigung in einer eigenen, gesonderten Schule zu beschulen. Sie werden aus
dem allgemeinen Schulsystem herausgenommen, also separiert. Ein gemeinsames
Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Beeinträchtigung wird
dadurch verhindert. Das lehnen wir entschieden ab.

Um die Sorgen und Nöte der Eltern aufzugreifen und quasi eine „Übergangslösung“ zu schaffen, bis wirklich alle Schulen sächlich und personell für inklusiven
Unterricht aller Kinder und Jugendlichen ausgestattet sind, schlägt der Beirat
stattdessen die Einrichtung von Kooperationsklassen KME an Schulen des Sekundarbereichs 1 vor, soweit die Eltern dies wünschen und sich nicht für eine inklusive
Beschulung in der zuständigen Regelschule vor Ort entscheiden.


In Lüneburg existieren an der Grundschule Hasenburger Berg bereits seit langem
Kooperationsklassen für Kinder mit einer körperlichen und motorischen Entwicklung. Diese Klassen heben sich bewährt. Sie sind der Schule am Knieberg angegliedert und werden von ausgebildeten Förderschullehrkräften und weiteren pädagogischen Fachkräften unterrichtet und betreut. In Absprache mit den Lehrkräften
der Grundschule wird darüber entschieden, wieviel gemeinsamer Unterricht stattfindet und wie das gemeinsame Schulleben aussehen soll.

Motto: „So viel gemeinsamer Unterricht wie möglich, so viel getrennt wie nötig.“
An Lüneburger Sekundarschulen gibt es noch keine Kooperationsklassen mit dem
Förderschwerpunkt KME. Auf die im Primarbereich gesammelten Erfahrungen
könnte aber bei einer Fortführung dieser Klassen ab Klasse 5 aufgebaut werden.
Für die Oberschulen und Integrierten Gesamtschulen ist Inklusion schon lange
kein Fremdwort mehr. Es wird eine Schule mit der nötigen Bereitschaft und geeigneten räumlichen Bedingungen geben, die in der Lage ist, den in der Grundschule
Hasenburger Berg begonnenen Weg fortzusetzen und weiter ein gemeinsames
Lernen zu ermöglichen

Schulen des Sekundarbereichs 1, an denen Kooperationsklassen KME geführt werden, wären entsprechend personell (Aufgabe des Kultusministeriums) und räumlich-sächlich (Aufgabe des Schulträgers) auszustatten. Sie könnten zu Schwerpunktschulen werden, die sich der Aufgabe des gemeinsamen Lernens in besonderer Weise stellen und müssten dafür auch entsprechende finanzielle Mittel erhalten. Diese Mittel werden bisher zum Teil noch im Gießkannen-Verfahren an alle
Schulen verteilt, was kritisch zu hinterfragen ist.
Der Behindertenbeirat spricht sich gegen die Weiterführung der Johannes-Rabeler-Schule als Förderschule Lernen mit dem zusätzlichen Schwerpunkt KME aus.


Gleichzeitig fordert er die Weiterentwicklung aller Schulen zu inklusiven Schulen,
so wie es im Schulgesetz festgelegt ist und in einem Entschließungsantrag aller im
niedersächsischen Landtag vertretenen Parteien (außer der AfD) 2021 nach langer
Diskussion bekräftigt wurde.
Dafür ist die Ausbildung von Förderschullehrkräften an den Universitäten in Hannover und Oldenburg und die Qualifizierung weiterer pädagogischer Fachkräfte
deutlich zu verstärken. Die vorhandenen personellen Ressourcen reichen nicht
aus.

Außerdem sind die räumlichen und sächlichen Bedingungen in den Schulen soweit
zu verbessern, dass diese einen ertragreichen und stressfreien gemeinsamen Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung ermöglichen.
Mit seinen Forderungen steht der Beirat für Menschen mit Behinderung nicht allein. Wichtige Interessenvertretungen wie der Sozialverband Deutschland (SoVD)und Lehrerverbände wie die GEW oder der Fachverband Sonderpädagogik, vds, sprechen sich ebenfalls für die Weiterentwicklung eines inklusiven Bildungssystems und gegen den Rückgriff auf ausgrenzende Strukturen aus.
In der Anlage übersenden wir Ihnen noch eine Zusammenfassung von Forschungsergebnissen zum gemeinsamen Unterricht von Lernenden mit und ohne Förderschwerpunkt Lernen. Zur Einordnung der Studienergebnisse möchten wir erläuternd anfügen, dass die gewonnenen Erkenntnisse bereits vor der Einführung der inklusiven Schulen in Niedersachsen 2013 erhoben wurden. Seither haben sich – wenn auch sehr langsam und in sehr kleinen Schritten – die Schulen für Inklusion
mehr und mehr geöffnet und es gibt heute deutlich mehr Fördermöglichkeiten für alle Kinder, als das z.B. 2007 der Fall war.

Wir möchten unsere Stellungnahme mit einem Zitat aus dem „Kompass Inklusion
– Lüneburg“ (2021) beenden, wo es heißt:
„Die inklusive Schule ist eine Schule der individuellen Förderung, in der jedes Kind
mit seinen individuellen Talenten, Begabungen sowie besonderen Bedarfen bestmöglich unterstützt wird. Die inklusive Schule begreift Heterogenität als Grundlage und Chance schulischer Arbeit und Bildung. (…) Um dieses Ziel zu erreichen, muss
sich das System Schule an Kinder und Eltern anpassen und dafür über die notwendigen personellen sowie materiellen Ressourcen verfügen.“

gezeichnet
Daniela Laudan
Vorsitzende des Beirates für Menschen mit Behinderung
in Hansestadt und Landkreis Lüneburg

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