Inklusive Bildung stärken! Behindertenbeauftragte sind alarmiert: Kaum Rückgang bei der Zahl der Förderschulen
Zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10.Dezember fordern die
Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern in einem heute veröffentlichten Papier
dazu auf, die inklusive schulische Bildung zu stärken.
Sie verweisen auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die seit 2009 in Deutschland im Range eines Bundesgesetzes gilt. Daraus folgt, dass Menschen mit Behinderungen ein Recht auf diskriminierungsfreie inklusive Beschulung haben.
Aktuelle Zahlen der Kultusministerkonferenz (KMK) zeigen jedoch, dass das
Menschenrecht auf inklusive Bildung in Deutschland noch immer nicht
flächendeckend gewährt wird: Zwar besuchten von den 582.400 Schülerinnen, die im Jahr 2020 sonderpädagogisch gefördert wurden, rd. 56% eine Förderschule und rd. 44% eine allgemeine Schule. Der Anteil der Schülerinnen mit sonderpädagogischer Förderung
bezogen auf alle Schülerinnen ist in den letzten Jahren jedoch insgesamt gestiegen. Das führt dazu, dass der Anteil der Schülerinnen, die eine Förderschule besuchen, seit
Ratifizierung der UN-BRK kaum abgenommen hat: Sie lag im Jahr 2020 bei 4,3 Prozent.
Jürgen Dusel, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung: „Inklusive Bildung ist
ein Menschenrecht, das Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen Teilhabe,
Bildungs- und Aufstiegschancen ermöglicht.
Im Jahr 2020 verließen mehr als 70 Prozent
der Jugendlichen, die eine Förderschule besuchten, die Schule ohne Hauptschulabschluss. Mit ihrem Zögern beim Abbau der Förderschulen vergeuden viele
Bundesländer Talente und Fachkräftepotenzial. In Zeiten akuten Fachkräftemangels
können wir uns das auch volkswirtschaftlich nicht mehr leisten.“
Christian Walbrach, Behindertenbeauftragter des Landes Sachsen-Anhalt: „Artikel
24 der UN-BRK verpflichtet Deutschland dazu, ein inklusives Schulsystem
sicherzustellen. Von der Erfüllung dieser Pflicht sind wir in mehreren Bundesländern
jedoch weit entfernt. Leider müssen wir im Gegenteil eine nahezu ungezügelte
Ausweitung von Sondersystemen und sonderpädagogischen Förderbedarfen beobachten.
Das ist aus meiner Sicht eine Sackgasse, die Ohnmacht, Ignoranz, Unkenntnis, oder auch
Überforderung offenbart. Ich befürchte, ein Grund dafür ist auch der fehlende, krisenfeste bildungspolitische Wille. Wir müssen gemeinsam aufpassen, dass das Schulsystem auch angesichts der schwierigen Personalversorgung nicht vor Überlastung zusammenbricht.
Die allgemeinen Schulen müssen wieder stärker in die Lage versetzt werden, ihrem
Förderauftrag entsprechen zu können. Neben bedarfsgerechten materiell-technischen
Ressourcen benötigen wir unter anderem eine stabile sonderpädagogische
Grundversorgung der allgemeinen Schulen. Darüber hinaus muss man auch über gezielte
Veränderungen des Schulsystems sprechen.“
Im Einzelnen sind aus Sicht der Beauftragten folgende Schritte für eine erfolgreiche
Transformation erforderlich:
Hochwertige inklusive Bildung gewährleisten,
Unabhängige Förderdiagnostik, individuelle Förderplanung, erforderliche
Nachteilsausgleiche und Hilfsmittel gewähren,
Transformation zügig und strukturiert voranbringen,
Inklusive Schulen mit qualifiziertem Personal bedarfsgerecht ausstatten,
Bauliche, technische und digitale Barrierefreiheit gewährleisten.
Quelle:
Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen
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